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Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes

„Familismus bezeichnet die weitgehende Identität von Familie und Gesellschaft. Danach bildet das System aller Familien das Gemeinwesen. Familismus ist auch die Überbewertung des familiären Bereichs als Quelle für soziale Kontakte. In familistischen Gesellschaften gilt die Familie als der Dreh- und Angelpunkt aller sozialen Organisationen.“ So skizziert der Klappentext den Inhalt des Bandes aus der theorie.org Reihe aus dem Schmetterling Verlag.
Die Bundesrepublik Deutschland ist eine familistische Gesellschaft.

Gisela Notz: Kritik des Familismus
Gisela Notz beschreibt das „ideologische Gemälde“ und daraus folgende Problematiken. „Gemälde“, weil es bei Familie nicht um immer wieder gern bemühte Natürlichkeit geht, sondern um eine soziale Konstruktion, welche realen Leben und modernen Lebensvorstellungen nicht immer gerecht wird. Sie schließt einerseits Menschen ein und damit gleichzeitig andere auch aus. Beispielhaft dafür sei hier genannt, wie die Norm einer Familie auszusehen hat: Mutter/Vater/Kind(ern). Ein schwules Paar mit Kind(ern) passt weniger ins Bild. Noch weniger die Vorstellung eines familiären Zusammenlebens von drei, vier Menschen, egal welcher Geschlechterbeschreibungen.

Einfach nachvollziehbar wird u.a. auch Familienpolitik als nationale Bevölkerungspolitik erläutert. Oder warum sonst sollen deutsche Frauen gern mehr Kinder bekommen als die derzeit durchschnittlichen 1,4. Die Erdbevölkerung wächst jedoch in rauschhafter Geschwindigkeit.

Was kostenlose Sorge- oder Hausarbeiten in Familien bedeuten. Warum Gewerkschaften oft nicht egalitäre sondern Männerpolitik betrieben. Warum gleichgeschlechtliche Ehen vielleicht doch eher Teil eines Problems als dessen Lösung sind. Antworten darauf gibt es in „Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes“.

Für meine Begriffe zitiert sich Gisela Notz etwas zu oft selbst. Abseits davon schreibt sie klar und informativ. (Über Lektoratsschwächen wie etwa „Michael“ Foucault auf Seite 211 sollte hinweglesbar sein.) Der geschichtliche Abriss und die gleichzeitige Betrachtung des Istzustandes in der Bundesrepublik sei Menschen empfohlen, die bei Erwähnungen von Ehe oder Lebenspartnerschaft über Institutionalisierungen und deren Zweck nachdenken. Wer jedoch über Steuervergünstigungen nachsinnt, sollte erst recht 10 Euro für das Bändchen investieren wollen. Der ideologische Kitt „Familie“ betrifft alle und ist mehr als ein kleiner Stolperstein auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben.

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